Selbst therapieren?

Hallo,

mir geht’s es seit einigen Monaten schon nicht mehr so gut. Ich bin zunehmend schlecht gelaunt, ungeduldig, impulsiv und nah am Wasser gebaut. Ich fühle mich durchwegs erschöpft. Ich kann mir aber nicht erklären, weshalb. Meine kleine Familie ist alles, was ich wollte, ich habe materiell alles, was ich mir wünsche und ich bin körperlich gesund. Was will man mehr?

Auf der Suche nach der Ursache für mein Unwohlsein schob ich es mal auf die langen Einschlafbegleitungen, mal auf die fehlende Paar- oder Me-Time. Mein Mann versuchte schon alles, mir meine Forderungen zu erfüllen. Ich war wieder aus, wir waren zusammen essen und er nahm mir viel mit dem Kind ab, wenn er da war.

Ich mag es ihm gegenüber nicht zugeben, aber mir geht es nicht wirklich besser. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er uns nicht aufgibt, aber ich kann aktuell nichts zurückgeben.

Bei der Zeit mit meinen Freundinnen fühle ich Langeweile, kann insgeheim ihre Probleme nicht ernst nehmen und mich nicht für sie freuen (2 meiner Freundinnen sind gerade schwanger). Am liebsten wurde ich narzisstischerweise von mir erzählen, aber empfinde meine Probleme als unsinnig (weil eigentlich gibt es doch keine?).

Hobbys mag ich aktuell nicht wirklich nachgehen.

Beim Hausarzt war ich auch schon, da meine Erschöpfung oft mit Kopfschmerzen einhergeht. Hier wurde nichts psychisches, sondern eine körperliche Ursache vermutet. Ich gehe jetzt zur Krankengymnastik, aber weiß nicht, ob es was bringt.

Was auch noch schlimm geworden ist, ist, dass ich schwer alleine sein kann. Ich mache regelmäßig meinen Mann ein schlechtes Gewissen, wenn er fort geht. So was blödes, kann doch nicht alles nach mir gehen.

Hat jemand eine Idee, wie ich mir da helfen kann? Offensichtlich bin ich noch nicht für eine Therapie geeignet. Was kann ich tun?

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"Am liebsten wurde ich narzisstischerweise von mir erzählen, aber empfinde meine Probleme als unsinnig (weil eigentlich gibt es doch keine?)."

Für mich klingt das nicht narzisstisch! Natürlich hast Du ein Recht, Deinen Freundinnen auch von Deinen Problemen zu erzählen. Ich kenne das mit der fehlenden emotionalen Empathie, wenn es mir nicht gut geht und halte das für ganz normal, gegeben Deiner Situation.


"Hat jemand eine Idee, wie ich mir da helfen kann? Offensichtlich bin ich noch nicht für eine Therapie geeignet."
Ohje, das klingt für mich wie ganz viele psychisch Erkrankte, die ich so im Laufe meines Lebens kennenlernen durfte. "Nicht krank genug" ist ein Gefühl, das typisch ist, sei es für Depressionen oder Essstörungen (womit ich mehr Kontakt hatte).

Du leidest und bis krank genug für eine Therapie. Je früher, desto besser! Besser eine ambulante Therapie, die viel auffangen kann und Dir schnell hilft, als dass Du zu lange wartest und dann Dich ewig stationär von ganz unten wieder hochkämpfen musst (das ist natürlich ein worst case). Stell Dir mal vor, Du würdest so über ein rein somatisches Problem sprechen und erklären, wie Du denkst, dass Du mit einem gebrochenen Fuß lieber warten willst, bis es richtig schlimm ist.


Auch Medikamente können gut unterstützen und öffnen erst für eine Therapie, ich persönlich habe damit allerdings nicht viel Erfahrung. (Habe nur mal im Krankenhaus eine Nacht lang das angebotene Zopiclon aus Neugierde genommen. ;) )

Ich würde mich an Deiner Stelle noch einmal an den Hausarzt wenden und genau das, was Du hier schreibst, schildern.
Vielleicht kann er auch noch einmal ein Blutbild machen, die Stimmung ist ja ein komplexes Zusammenspiel von psychischen und physischen Faktoren. Auch eine Schilddrüse, die nicht richtig funktioniert, kann depressive Verstimmungen, Erschöpfung und Antriebslosigkeit auslösen.

Alles Gute!

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Hallo, bitte lass eine Psychologische Psychotherapeutin darüber entscheiden, ob du Therapie brauchst oder nicht!
Mach dafür bitte einen Sprechstundentermin aus. Dort sprichst du bitte ALLES an, gerade die Sachen, die du hier geschrieben hast und die dich aktuell belasten. Du kannst mit dem Anliegen in das Gespräch gehen, ob dir Therapie helfen könnte. Danach bekommst du eine professionelle Rückmeldung.
Alles Gute!

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Oder das!

Fuer (Akut-)Klinikeinweisungen braucht es ein aerztliches Dokument, aber natuerlich kann man auch direkt einen Therapieplatz ohne Hausarzt suchen, das habe ich in meiner Antwort unterschlagen. In den Vorgespraechen, die unverbindlich sind, wird geschaut, welcher Bedarf vorhanden ist. Teilweise ist es schwer, einen Platz zu finden. Wenn man etwas mobil ist, kann die Termine-Service-Stelle eine gute Anlaufstelle sein.

Ich habe mir damals zudem eine Excel-Liste gemacht mit den Telefonzeiten und dann vermerkt, wo es Absagen, Wartelisten und Vorgespraeche gab. Am Ende habe ich mir sogar sechs in Erstgespraechen angeschaut und die Suche ging nicht allzu lange! Zwei mochte ich nicht (einer davon war ein richtig creepy Psychoanalytiker der alten Schule, wo ich hinterher heulend herauskam, uhh...vielleicht habe ich in der Zukunft irgendwann mal den Mut und das Commitment zu einer Psychoanalyse). Eine weitere, die ebenfalls das analytische Verfahren anwandte, meinte, weil sie ein aehnliches Beschwerdebild habe, koenne sie mir bei einigen Kernproblemen vermutlich nicht helfen. Einer hatte nach dem Erstgespraech eine lange Warteliste und bei zweien bin ich zu mehreren probatorischen Sitzungen, bis ich mich entschieden habe. Du hast das Recht, Dir jemanden und ein Verfahren zu suchen, wo Du Dich wohl fuehlst.

Eine meiner besten Freundinnen ist psychologische Psychotherapeutin (und sie war selbst lange in Therapie)...die Leute haben es echt drauf!

Alles wird allerallerhoechstwahrscheinlich gut! :)

Bearbeitet von malguckenhier
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Hast du mal deinen Vitamin D Wert checken lassen? Ein niedriger Wert kann auf die Stimmung schlagen.

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Tatsächlich habe ich den Vitamin D Wert vor 3 Monaten mal testen lassen - passt soweit. Schilddrüse wurde seit der Schwangerschaft aber nicht mehr kontrolliert.

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Für mich klingt das nach einer Erschöpfung oder gar einer Depression.
Du kannst zu einem Psychiater gehen oder selbst nach einer Psychotherapeutin suchen. Aber unternimmt bitte etwas. Lange hält das der beste Partner nicht durch!

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Naja, der Hausarzt ist ja nun mal in erster Linie für die körperlichen Beschwerden zuständig, trotzdem checkt er nicht sofort alles ab. VitaminD gehröt zB nicht zum Standardprogramm bei der "ersten Suche". Offensichtlich hat er ja einen Grund gefunden, das er dich zu Physio schickt. Das wäre dann ein Punkt auf deiner Liste.

Aber die anderen Punkte? Wie kommst du darauf, das du "noch nicht für eine Therapie" geeignet bist? Das eine schließt doch das andere nicht aus.

Wie alt ist denn euer Kind überhaupt? Nicht jeder steckt die Umstellung einfach so weg, sei es körperlich oder eben psychisch. Letzteres ist ja immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft...einer Mutter soll natürlich in Dauerschleife die Sonne aus dem Hintern scheinen.

Vorstellung und Realität, was die eigene Familiengründung angeht, das prallt auch häufig aufienander.

Was ich jetzt schade finde, das du dich deinem Mann nicht erneut anvertraust. Woran liegt das? Klar hätte es die Lösung sein können, aber sie ist es nun mal nicht. Es geht dir doch nicht gut.

Ich finde es auch ziemlich normal, das Freundschaften sich in unterschieldichen Lebensphasen befinden. Wenn da in der Runde also keiner dabei ist, der dich aktuell verstehen oder greifen kann, dann ist das erstmal so. Und es wäre überhaupt nicht narzistisch, wenn du etwas von dir erzählen würdest. Wer denn sonst, wenn nicht die Freunde, sollten da ein offenes Ohr haben....auch wenn sie dich vielelicht nicht verstehen können? Oder sind es vielleicht keine echten Freunde und das wird dir jetzt bewußt?

Aktuell machst du dich kleiner, als du solltest. Bleib am Ball, rede drüber....besonders mit deinem Mann.

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Es wurden starke Verspannungen im Halswirbelbereich festgestellt, daher soll die Physio helfen. Vitamin D passt, Schilddrüse wurde zuletzt in der Schwangerschaft kontrolliert.

Mein Baby ist jetzt 14 Monate alt. Angefangen haben meine Probleme, als er 7/8 Monate alt war. Ich denke also nicht, dass das einen Zusammenhang hat.

Der Kleine geht seit diesem Monat in die Kita, bisher 2 Stunden täglich, macht das aber super. Ich habe mehr Freiheiten, die ich gerade aber nicht zu nutzen weiß. Ab nächsten Monat gehe ich für ein paar Stunden wieder arbeiten. Vielleicht tut mir das gut, vielleicht das Gegenteil.

Ich weiß, dass ich mit meinem Mann reden muss, habe aber nicht den Mut, eine mögliche Therapie in den Raum zu werfen. Ich habe auch nicht den Mut, bei sämtlichen Psychotherapeuten anzurufen, um auf die Warteliste zu kommen. Haben es andere da nicht nötiger und gibt es nicht eine andere Möglichkeit? Wo soll ich anfangen, anzurufen und was soll ich da bloß am Telefon sagen? Ich fühle mich dazu nicht in der Lage.

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Fehlt dir wirklich der Mut oder hast du keine Kraft mehr, das Thema anzugehen?
Es ist doch egal ob anderen einen Termin nötiger hätten, du brauchst einen, fertig.

Du kannst dich auch an den sozialpsych. Dienst eurer Stadt wenden, sie haben Listen und beraten dich. Das wäre erstmal nur ein Anruf, evtl. ein Termin.
Und du solltest auch noch deine SD kontrollieren lassen, schade das der HA das nicht mitgemacht, bzw angeraten hat.

Was du am telefon sagen sollst, das weiß ich nicht....aber vielleicht is dein beitrag hier ja eine gute Stütze. Ist doch nichts anderes, als wenn man einen Termin bei einem anderen Facharzt vereinbart.

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Glaub mir, Du bist sehr wohl für eine Therapie "geeignet"!!
Zwar aus vollkommen anderen Gründen, aber 2023 war eines der erschütterndsten Jahre meines langen Lebens und ich im November vollkommen am Ende, psychisch und physisch wie ausgebrannt.
Da eine "normale" Therapeutensuche aussichtslos war, ging ich zu einem Heilpraktiker mit umfangreicher psychotherapeutischer Ausbildung - meine beste Entscheidung, Geld hin oder her.
Ja, ich hatte/habe auch alles, zahlreiche, nie denkbare Erfolge, wunderbare Erlebnisse wie schon zig Jahre nicht mehr, super Freunde - und trotzdem konnte ich mich darüber nicht voll freuen und dankbar sein, war dauernd traurig, wollte das, was ich nicht haben konnte, soooo unsinnig irgendwie.
100 positive Erlebnisse -und ich mäkelte an dem einen Punkt herum, der mir angeblich zur "Vollkommenheit" fehlt.... dabei sagte mir mein Realismus, dass das absoluter Unsinn ist.
Lass Dir bitte helfen, irgendeinen Weg gibt es sicher, an einen Therapeuten zu kommen.
LG Moni