Unterschiedliche Erziehungsansichten

Hallo liebe Community,

Ich (M, 30) habe mit meiner Frau (30) eine dreijährige Tochter.

Im Alltag gibt es andauernd Differenzen bezüglich der Erziehung.
Ich bin mit meiner Frau über ein Jahrzehnt zusammen, aber die jetzige Zeit empfinde ich als sehr anstrengend.

Ein Kind braucht Regeln und Erziehung, dass ist mir bewusst.
Meine Frau nimmt jedoch die Kindererziehung sehr persönlich und nicht auf unser Kind bezogen.

Unsee Tochter testet gerne ihre Grenzen aus und dies führt zu ständigen Unmut. Es wird ständig lauter von meiner Frau aus, wenn unser Kind nicht direkt ihre Erwartungen erfüllt.

Am Essenstisch geht die Welt unter wenn unsere Tochter unabsichtlich kleckert ("du bist doch kein Baby mehr, muss ich dich füttern?, sändig muss ich die Küche sauber machen usw.) Es wird immer die selbe Schallplatte und keine Empathie aufgelegt. Und darauffolgend kommt die Sekundenüberwachung mit kontinuierlicher Kritik. Es ist kein Essen und Ruhe und Liebe möglich.

Wenn ich mit der kleinen alleine Esse, habe ich eine sehr schöne Zeit. Sollte sie mal kleckern, sage ich "pass bitte auf" und damit ist das Thema erledigt. Sie passt auf und isst ordentlich.

Und dieses Verhalten vom Essenstisch zieht sich durch den ganzen Tag. Ich würde laut ihrer Meinung alles durchgehen lassen, weil ich ja nie laut werden würde. So würde mich meine Tochter mich nicht ernst nehmen.

Ich persönlich schätze das Leben und unsere Tochter. Daher setze ich Regeln, bleibe aber immer ruhig. Es ist ein Kind, was aufwächst und Erfahrungen sammeln muss. Aber unnötig laut werden und Stress erzeugen bringt meiner Meinung nichts. Dadurch greife ich mich nur selber persönlich an.

Beim Schlafengehen Trödel ich laut meiner Frau zu lange, aber ich muss sie ja am nächsten Tag nicht aus dem Bett holen usw.

Ich bringe sie bis ca. 19:30 im Bett und sie schläft dann auch.
Ich bringe sie zum Lachen und lese ihr eine Geschichte vor und kuschel sie.

Meine Frau hat nur die Uhrzeit im Kopf und meint wenn sie um 19:15 im Wohnzimmer ist, passt alles. Dennoch geht das Baby Phone an und sie will dann noch was und schläft vor halb 9 nicht ein. Darauf kommt dann auch "du musst jetzt schlafen".

Bin ich einfach blöd?

Ich kann mit meiner Frau streiten und sie darum bitten ihr Verhalten einzustellen. Dass klappt dann auch, aber nur für zwei Tage. Danach eskaliert es wieder.

Habt ihr da eventuell Ratschläge?

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Mal eine Frage: Wie ist die Arbeitsaufteilung?
Ich erkenne mich leider Teilweise in deiner Frau wieder. Ich bin aktuell in Elternzeit. Mein Mann arbeitet vollzeit, kann sich aber Teile seiner Arbeit daheim selbstständig einteilen. Und er genießt noch Freizeit.
Ich bin gefühlt 100 mal am Tag damit beschäftigt die Küche zu putzen, die Kinder in Schach zu halten etc. Mein Freund ist auch oft entspannter mit unseren Kindern. Aber er hat nicht permanent den Haushalt im Hinterkopf.
Wer wischt denn immer auf, wenn eure Tochter was umschüttet? Wer macht hinter ihr sauber? Wer hat am Tag wie viel Pause?
Je nachdem kann ich mir vorstellen, dass deine Frau einfach total angespannt ist und eigentlich mehr Zeit für sich braucht und mehr Spaß-Zeit mit eurer Tochter haben möchte, aber immer nur alles erledigen muss. Also schau vielleicht mal ob das ein Grund sein könnte.

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Vielleicht könntest du mit deiner Frau mal Challenges vereinbaren: Mal einen Tag beim Essen NICHTS kommentieren.
Mal einen Tag in bestimmten Situationen NICHTS kritisieren. Mal einen Tag bei der Einschlafbegleitung NUR freundlich sein!

Und das dann nicht verbissen durchziehen, sondern sich bewusst dabei entspannen, sich sagen "okay, heute darf gekleckert werden, wir haben eine abwaschbare Tischdecke untergelegt, uns kann nichts stören!" (Das muss man ja nicht laut sagen.) Und dann aufschreiben, wie es für einen war. Nach ein paar Tagen die gleiche Challenge wiederholen, wieder notieren, wie es für einen war, ob es einfacher wurde. Wie die Tochter reagiert hat. Ob es überhaupt Situationen gab, in denen man sich aufregte.

Deiner Frau würde ich die Testfrage stellen: Was passiert denn, wenn du mal nicht korrigierst? Wie geht es dir dann? Was passiert schlimmstenfalls?

Ich finde ja auch diese Ideen wie "schimpffreie Woche" oder "schimpffreies Leben" überspitzt, weil einem da ein normales Verhalten untersagt wird und man zur Perfektion und damit Überforderung und ggf. sogar Selbsthass gedrängt wird (es wird einem nahegelegt, dass man nie gut genug sein wird). Aber als Ansatz, als Idee sind diese Konzepte gut. Also, um sich zu hinterfragen: Kann ich irgendwo etwas verbessern? Druck rausnehmen, Stress reduzieren, für mich, für mein Kind, für meinen Partner? Kann ich das so machen, dass es mir auch besser geht dabei? Warum mache ich dies und jenes (schimpfen, kritisieren)? Gäbe es Alternativen? Muss das IMMER sein oder übertreibe ich es vielleicht auch manchmal?

Und vielleicht erhellend: Nehmt euch mal in verschiedenen Alltagssituationen auf! Vielleicht auch unbewusst, also Handy aufs Stativ und einfach immer wieder Videos machen, bis man das vergisst. Und dann schaut euch alleine diese Videos an und überlegt, wie es euch an Stelle eurer Tochter in dieser Situation ginge.
Und dann überlegt, ob es auch Handlungsalternativen gegeben hätte.

Wenn ihr dann feststellt; einer schimpft zu viel, kritisiert zu viel, drängt zu viel - nehmt euch EINE Sache pro Woche vor, die ihr verbessern wollt und übt die jeden Tag! Bspw. weniger kritisieren. Nicht NIEMALS kritisieren, sondern weniger. Notiert dann, wer wie oft kritisiert (das is kein Wettbewerb!). Wenn es bspw. 60 mal am Tag sind, strebt 55 mal an. Und wenn das gut klappt, geht auf 50 mal. Überfordert euch nicht! Freut euch über jede Verbesserung! Irgendwann seid ihr dann der "Perfektion" bzw. dem angestrebten Ziel viel näher als jetzt (bzw. deine Frau wäre es).

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Ich würde euch empfehlen, euch gemeinsam im Bereich Erziehung fortzubilden.
Viele denken ja, es reiche aus, bei der Erziehung rein auf seine Intuition zu hören.
Aber wir sind eben auch von unserer eigenen Erziehung geprägt.
Deshalb ist es gut, sich immer wieder zu hinterfragen und Intuition mit Information zu kombinieren.
Es gibt sehr viele gute Dokus zu den unterschiedlichen Erziehungsstilen, was wissenschaftlich gesehen der beste Stil ist usw.
Auch Bücher, Vorträge, Blogs, usw. - da gibt es mehr als genug.
Wenn ihr euch zusammen fortbildet, könnt ihr auch eine gemeinsame Strategie entwickeln.
Ihr müsste ha nicht identisch erziehen, sondern es darf auch ein paar Unterschiede geben, ihr solltet eich in den wichtigen Punkten einig sein.
Alles Gute!

Bearbeitet von Problemchen
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Versuche das mal auf eine andere Art,
Deine Frau braucht Ausgleich, ist vielleicht kurz vor dem Burnout und deshalb so überempfindlich und unentspannt.

Geht sie zum Sport, geht sie aus? macht sie sport? Hat sie Entlastung im Haushalt. Auch wenn du evtl. viel machst, fühlt sie, dass das viel ist, oder hat sie das Gefühl, du machst zu wenig und das stresst sie? Ich schätze, sie arbeitet auch wieder etc... ---

Klingt nicht wie "unterschiedliche Erziehungsansichten" .... Klingt wie kurz vor Burnout und überempfindlich.

Mir gelingt das bis heute noch nicht wirklich ganz und meine Kids sind 13+16. - Mein Kopf rattert den ganzen Tag um diverse Probleme die es mit den Kids oder Schule gibt - Haushalt, arbeiten, nachts nicht gut schlafen, weil der Kopf rattert. Der Tag hat einfach zu wenig Stunden und ja: mein Mann ist auch voll tiefenentspannt. Ich kann das einfach nicht und bin schnell uneduldig oder schimpfe schneller. - es war früher schlimmer - ich versuche damit klar zu kommen, aber meine Lunte ist immer noch extrem kurz und die Gedanken um manche Baustellen der Kinder kann ich den ganzen Tag oder auch nachts nicht ablegen. Obwohl mir das bewusst ist, gelingt mir das nicht immer.

Bearbeitet von tr357
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Deine Frau hat eine kurze zündschnur und irgendwie kann ich das nachvollziehen. Es klingt als sei sie einfach überlastet. Nächstes Mal sag ihr vor dem Essen dass du danach die Küche putzt und es egal ist wenn das Kind kleckert. Wenn sie dann trotzdem schimpfen will, einfach nur kurz "Schatz, ich putz doch nachher, alles gut." Versuch ihr Auszeiten zu geben damit sie Kräfte tanken kann.

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Ich habe Verständnis, dass du dir mehr Geduld und Toleranz gegenüber deiner Tochter wünscht und dass es manchmal frustrierend ist, wenn man dem Partner bei der Erziehung zusieht und es gerne anders machen würde.

Ich habe aber auch Verständnis für deine Frau, speziell wenn sie mehr Zeit in die Kindererziehung investiert. Wie ist denn bei euch die Betreuungszeit aufgeteilt? Die Dinge, bei denen sich bei mir der Alltagsfrust am meisten akkumuliert, sind das Fertigmachen in der Früh (das mache ausschließlich ich, bevor ich zur Arbeit gehe, mein Partner verlässt kurz bevor sie aufsteht das Haus), das Essen (ich putze ca. 5 mal am Tag klebriges Essen aus Ritzen) und das Schlafen legen. Ich bemühe mich dann natürlich trotzdem ruhig und verständnisvoll zu sein, wenn ich aber schon 3 mal gesagt habe, bitte spiel nicht mit dem Becher sonst fällt er um und dann fliegt (unabsichtlich, aber beim Spielen) der Becher, werde ich auch mal streng. Mein Partner kommt abends heim und hat dann in den 2 Stunden bis zum Schlafen gehen einfach noch mehr Geduld übrig.

Vielleicht kannst du (falls du es nicht ohnehin machst) deiner Frau anbieten, dass du nach dem Essen das sauber machen von Kind, Küche und falls nötig Kleidung übernimmst während deine Frau sich in der Zeit zum Beispiel im Wohnzimmer auf die Couch setzt und kurz entspannt. Genauso, wenn das Schlafen gehen sie stresst und du dabei entspannt bist, kannst du es vielleicht einfach öfters übernehmen und deine Frau kann in der Zwischenzeit zB was im Haushalt machen. Zu tun gibt's ja immer genug.

Ganz generell ist es aber sicher auch ein Lernprozess loszulassen und den Partner seine eigenen Strategien durchziehen zu lassen (natürlich vorausgesetzt, das Kind wird vom Partner nicht angeschrien, beschimpft geschlagen etc.). Ihr müsst nicht immer alles gleich machen. Ich versuche eigentlich immer, mich nicht einzumischen, wenn mein Partner gerade eine Sache mit meiner Tochter klärt - auch wenn ich vielleicht anders agieren würde. Er macht das großartig und meine Strategie ist sicher nicht die einzig "richtige".

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Kauf Deiner Frau das Buch "Wild Child", da kann sie viel lernen.
Ich denke, sie weiß nicht, wie eine kleine Kinderseele funktioniert und was kognitiv schon drin ist.

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Die Frage ist:

Wie viel Entlastung hat deine Frau im Alltag?
Wie viel übernimmst du im Haushalt? Was betreffend dem Kind? Termine, Verabredungen, Hobbys, Kita-Gespräche, Kleidung - sprich, das ganze drumherum? Wer übernimmt das?

Deine Frau scheint völlig überlastet. Ich kenne das zu gut und dann hat man einfach eine sehr kurze Zündschnur.
Versuche ihr Freiräume zu schaffen, Zeiten wo sie alleine für sich etwas unternehmen kann. Nimm ihr mehr den Haushalt und das ganze drumherum ab, damit sie mal durchatmen kann.

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Auch für mich wäre die Frage nach eurer Aufteilung in Sachen Kindererziehung und genereller Arbeit spannend...

Wie wäre es, wenn du einfach einspringst, wenn du siehst, dass deine Frau gerade die Nerven verliert und nur meckert? Das zu Bett gehen ist bei deiner Frau schwierig, dann übernimm du das doch erstmal auf unbestimmte Zeit. Das ist bei uns ähnlich. Abends hat mein Mann keine Kapazität dafür und ist super ungeduldig. Also räumt er in der Zeit die Küche auf oder so... Morgens macht er das Kind, weil ich vor dem ersten Kaffee den Nachwuchs meistens auffressen würde. So klappt es in der Regel immer ruhig und einigermaßen stressfrei.