Borderline Freundschaft beenden?

Liebe Forenmitglieder,

ich suche Menschen die mir mit ihre eigenen, ähnlichen Erfahrungen teilen möchten. Das Thema um was es mir geht ist nicht nur komplex, sondern könnte auch andere Betroffene triggern, dies vorweg.

Ich bin 39 Jahre alt. Im Jahr 2020 bin ich aus einer Amnesie aufgewacht, die ich seit meinem frühen Kindesalter ausgebildet hatte. Ich will nicht aussprechen was damals passierte, aber es hatte starke Auswirkungen auf meine Persönlichkeitsentwicklung. Vielmehr noch, ich bin sogar in der Erwerbsminderung, weil ich eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung habe, die chronischer Natur ist. Aber ich bin in Behandlung und arbeite täglich an der Symptomatik.

Als ich aus der Amnesie aufwachte und mich somit daran erinnerte, was mir als Kind von meiner Sippe angetan wurde, brach meine Welt zusammen. Sofort beendete ich den Kontakt zu ihnen. Und meine Familie war nicht klein. Ein Jahr später folgte dann der Kontaktabbruch zu meinen Freunden.

Zur Begründung:

Es stellte sich heraus, dass ich meine Freunde nach den mir bekannten Mustern aus meiner Erzeugerfamilie ausgesucht hatte. Mein Freundeskreis bestand ab meiner Teenagerzeit durchweg aus Menschen mit stark toxischen Verhaltensweisen. Umgekehrt, wies auch ich derlei Verhaltensweisen auf. Damals verstand ich nicht, warum ich von meiner Wahlfamilie ausgelacht, gedemütigt und nicht nur einmal verraten wurde. Gleichzeitig lachten und weinten wir zusammen, machten Party wann immer möglich und fuhren auch zusammen in den Urlaub. Wir gaben uns sogar die Schlüssel zu unseren Elternhäusern, später auch zu unseren eigenen Wohnungen, weil wir wie eine Familie waren. Kriminell, drogen-, und alkoholabhängig, aggressiv, aber trotzdem eine Familie. So wie wir es eben kannten. Krasse Gegensätze die uns allen ein ungesundes Bild von sozialem Miteinander suggerierten. Meine Rolle war am untersten Ende dieser Hierarchie. Genauso wie ich es aus meiner Familie kannte.

Während einem zweimonatigen stationären Klinikaufenthalt auf einer Frauen-Trauma-Station und seit dem Jahr 2019 andauernden ambulanten Therapien (Verhalten, Trauma, EMDR), sowie Selbsthilfegruppen lernte ich, dass ich selbst die Art von Menschen in mein Leben ziehe, die mir schadet. Warum mache ich das? Weil ich ein ungesundes Selbstbild von mir habe. Mit professioneller Hilfe und großen Anstrengungen versuche ich aber dieses in ein gesünderes umzuwandeln. Theoretisch hatte ich diesen unbewussten Mechanismus in mir verstanden. Deshalb verließ ich mein altbekanntes, toxisches Umfeld in der Hoffnung, eines Tages ein neues, stabiles soziales Umfeld aufbauen zu können. Trotzdem scheine ich nach wie vor auf Personen mit Persönlichkeitsstörungen anzuspringen. Das läuft folgendermaßen. Lerne ich eine neue Person kennen, die zufällig eine beispielsweise Borderline Persönlichkeitsstörung hat, lasse ich mich von deren Fassade blenden. Im weiteren Verlauf des Kennenlernens folgt nach einigen Monaten die Entzauberung der anfangs von mir hoch idealisierten Person. Große Nähe, Mitgefühl und Empathie verschwinden und wechseln im nächsten Moment zu heftigen Abwertungen und verletzendem Verhalten. In den drei Jahren, in denen ich nun schon mit meiner Vergangenheit gebrochen habe, sind viele unterschiedliche Menschen in mein Leben getreten. Mit einigen versuchte ich mich anzufreunden. Man traf sich, unternahm etwas, hatte Telefonkontakt. Von diesen Menschen habe ich mich unabhängig voneinander mit genau zwei richtig anfreunden können. Und wie sich nach einiger Zeit herausstellte, leidet die eine, die mir am nächsten steht an einer Borderline Persönlichkeitsstörung sowie anderer "Diagnosen" die sie mir bis heute nicht verraten wollte.

Wie gesagt wusste ich in der Theorie über meine unbewussten Komfortzonen hinsichtlich Freundschaften bescheid und dachte deshalb, ich sei gewappnet für die Zukunft. Mit besagter Freundin traf ich mich über ein Jahr lang bevor wir uns die Titel "Freundinnen" gaben. Immer mehr vertrauten wir uns an. Schließlich öffnete ich mich ihr hinsichtlich meiner Vergangenheit. Und dann ließ auch sie Stück für Stück aus ihrem wahren Leben durchblicken. Ich war zunächst sehr dankbar darüber, endlich eine Freundin gefunden zu haben, mit der ich scheinbar auf einer Wellenlänge funkte. Andererseits war ich auch geschockt darüber, dass ich mich so habe täuschen lassen. Trotzdem erzählte ich von diesem Fortschritt stolz meiner damaligen Therapeutin, die sich auch sehr darüber freute, dass ich scheinbar eine Freundin gefunden habe. Und dann ging es los.

Meine neue Freundin gestand mir, dass sie schon fünfzehn stationären Klinikaufenthalte und mehrere Therapien hinter sich hatte. Für mich völlig in Ordnung, denn ich weiß selbst wie es ist, wenn man in eine Welt hineingeboren wird, in der Kinder keinen Schutz erfahren. Ich war ihr dankbar dafür, dass sie sich mir ehrlich öffnete und versuchte mein bestes, um ihr zu helfen. Es stellte sich raus, dass sie ebenfalls keine anderen Freunde außer mir hatte. Das hat im Jahr zuvor anders geklungen. Ihre Sprachnachrichten wurden länger, teilweise sprach sie zwanzig Minuten am Stück und es folgten trotzdem noch weitere, wo ab und an schon mal eine dreiviertel Stunde, Stunde zusammenkam. Ich hatte sie lieb gewonnen und wollte deshalb weiterhin für sie da sein. Schließlich haben Borderlliner in ihrer Vergangenheit meist oft die Erfahrung gemacht, verlassen oder abgelehnt zu werden. Das sollte ihr mit mir nicht passieren, nahm ich mir vor. Je enger unsere Bindung wurde, desto heftiger bekam ich aber die Symptomatik ihrer Erkrankung zu spüren. Ich wusste, dass ich ihr Grenzen setzen musste ohne ihr dabei zu "beweisen" ,dass ich genauso war wie all die anderen. Ich ertrug viel. Ablehnung, Beschimpfung, Nähe und Abgestoßen werden. Als es mir vor einigen Monaten zu heftig wurde, sagte ich ihr, dass ich selbst Abstand von ihr brauchen würde. Ich wisse zwar, dass ihr verletzendes Verhalten mir gegenüber der Krankheit geschuldet sei, jedoch gab ich ihr zu Bedenken, dass ich selbst mit meiner eigenen Geschichte zu kämpfen habe. Immerhin hatte ich erst zwei Jahre zuvor, quasi von einem auf den anderen Tag den Teil meines Lebens verloren, den ich bis dahin Familie nannte, genauso wie all meine Freunde, egal wie toxisch unsere Beziehungen auch gewesen sein mögen. Das liest sich vielleicht leichter als es tatsächlich noch ist. Ich war plötzlich vollkommen allein, isoliert und auf mich gestellt und das obwohl ich mich an die Übergriffe die in meiner frühen Kindheit durch Familienangehörige an mir ausgeübt wurden, erinnerte. All die Bilder, die Ängste, die Albträume und trotzdem jeden verdammten Tag aufstehen und weitermachen, um neue Menschen in mein Leben holen zu können und eines Tages meine eigenen Trauma-Symptome abzumildern. Menschen brauchen Menschen, daran glaube ich. Trotzdem war ich für meine neue Freundin da, brachte ihr Essen wenn sie krank war, ging für sie einkaufen, holte Medizin für ihren Hund in der Tierklinik ab, machte mich sofort auf den Weg, als sie im Winter mit ihrem Auto liegenblieb und hatte immer ein offenes Ohr, egal wie lang ihre Sprachnachrichten waren. Ich akzeptierte, dass sie in 8 von 10 Fällen ein paar Minuten vorher oder in der Nacht unsere Verabredungen absagte, denn ich wusste, sie hat stark mit ihrer Krankheit zu kämpfen. Ich könnte noch weitere Beispiele aufzählen.

Vor Weihnachten hat sie mich gefragt, was ich denn geplant habe, weil sie ja wisse, dass ich sehr darunter leide die Kinder meines Bruders nicht mehr sehen zu können. Ich erzählte ihr, dass ich erst am Tag zuvor an meine Nichte gedacht und mir vorgestellt habe, dass ich mich auf ihr Weihnachtskonzert schleiche, um sie singen zu hören. Ich habe geweint, sagte ich ihr und dass ich sie jeden Tag vermisse und der Schmerz auch nicht nachlässt. Einen Tag später, nicht ungewöhnlich manchmal auch erst Tage oder Wochen später, meldete sie sich mit drei Sprachnachrichten zurück. ich wollte sie abhören, aber dann löschte sie sie. Und seitdem hörte ich nichts mehr von ihr. Ich versuchte über diese Abfuhr und Tage des Schweigens hinweg zu sehen, auch wenn es mich sehr verletzte, gerade bei diesem für mich sensiblen Thema. Also schrieb ich ihr trotzdem an Weihnachten und schickte ihr auch gestern morgen ein kurzes lustiges Video von meinem Hund. Da kam nichts.

Irgendwie, reicht es mir. Sie tut mir leid, ja. Ich verstehe dass sie krank ist und das alles nicht mit Absicht macht, ja. Aber was mache ich mit meinen inneren verletzten Anteilen, die ihr ganzes Leben unter solchen anstrengenden Beziehungen gelitten haben und das in dem Glauben, dass diese Menschen recht damit hatten, sie abzuwerten, zu manipulieren und zu quälen? Sollte ich meine neue "Freundin" in meinem Leben behalten? Wenn ja, was sind meine Motive? Will ich nur den guten Samariter spielen oder bedeutet sie mir genug, dass sie es "Wert" ist für sie stark zu sein? Ist es Egoismus meinerseits, weil ich sonst noch einsamer wäre als ohne sie? Ich würde mich über einen Austausch freuen, gerne auch mit Menschen, die selbst eine BPS haben.

Liebe Grüße

IzzyMo

ELTERN -
Die besten Babyphones 2024

Testsieger
Philips Avent Audio Babyphone, Babyeinheit und Elterneinheit, Produktkarton im Hintergrund
  • lange Akkulaufzeit
  • hohe Zuverlässigkeit
  • strahlungsarm
zum Vergleich