Schlechte oder gute Bindung?

Hallo zusammen,

ich habe nun mal eine Frage, vor allem an die, die vom Fach sind:

Der Fremden-Situationstest bei Einjährigen unterscheidet ja nach Bindungstypen. Danach müssten sicher gebundene Kinder immer weinen, wenn Mama geht und sich freuen wenn sie zurückkommt.

Wie ist das nun bei Zweijährigen, die nach dem Berliner Modell eingewöhnt werden? Müssten sie am 4. Tag des Kennenlernes bei der 1. Trennung auch weinen und sind sonst unsicher gebundene Kinder? Oder gilt die Bindungstheorie nicht? Was mit denen, die erst weinen wenn einige Wochen vergangen sind?
Ich würde mich über Rückmeldungen freuen.

Viele Grüße

10

Bindung ist ein so komplexes, vielschichtiges Thema - was von so vielen Faktoren abhängt (Charakter, Umgang, Situation, Umgebung, Erfahrungen, aktuelles Befinden, ...)
Da in einer einizgen, äußerst kurzen, gestellten Situation Schlüsse auf das gesamte Verhalten eines Kindes zu schließen - betrachte ich als sehr kritisch.

Und selbst wenn das in einer (korrekt durchgeführten) Testsoituation möglich und aussagekräftig ist:

Dein Kind zeigt sein Verhalten NICHT in einer Test-Situation.
Sondern in einer Eingewöhnungssituation.

Beim von dir genannten Test wird es bewusst unter Stress gesetzt - während der Eingewöhnung ist es das Ziel unnötigen Stress zu vermeiden.
Beim Test ist es eine Situation von 30 Minuten - in denen das Kind mehrfach kurz von der Bezugsperson getrennt wird.
Bei der Eingewöhung wird das Kind erst getrennt, NACHDEM es Zeit hatte sich mit der neuen Situation vertraut zu machen.
In der Testsituation gibt es niemanden, der sich sonst um das Kind kümmert, es auffängt.
Bei der Eingewöhnung ist genaus das, das Ziel.

Es sind also zwei völlig verschiedene Ausgangslagen.
Entspann dich - deinem Kind gehts gut ;)

Bearbeitet von HummelUrsel
16

Guter Beitrag!

1

Bindungstheorie ist nicht statisch - und es gibt auch kritische Theorien.

Hast Du einen konkreten Verdacht?

3

Es geht mir um mein eigenes Kind. Die ersten Tage war sie in den ersten Minuten nur bei mir, dann spielte sie in meiner Nähe und schließlich lief sie mit ihrer Erzieherin durch den Raum und spielte. Ab und zu suchte sie Blickkontakt. Anfangs mehr, später weniger. An Tag 4 waren wir eine Weile zusammen da und dann sollte ich gehen. Ich sagte ihr, dass ich kurz weg wäre und später wiederkäme um sie zu holen. Sie sagte "Ja" und winkte. Sie weinte nicht. Nach 30 Minuten kam ich wieder und sie zeigte mir, was sie grade gemacht hatte. Sie hat in meiner Abwesenheit gespielt und gelacht.
Wir ließen sie nie schreien, sie hat schon immer viel Nähe gebraucht und bekommen, ich halte ihre Gefühle aus und begleite sie. Zuhause läuft sie mir eigentlich ständig nach.

7

Und was genau ist jetzt deine Befürchtung?

weitere Kommentare laden
2

Bei Kindern ist es auch Charakterabhängig, es gibt super mutige Kids und etwas zurückhaltendere, die länger für eine Eingewöhnung benötigen.
Das heißt aber nicht gleich, dass die Bindung zu den Eltern schlecht ist, wenn sie sich so oder so verhalten, sondern hat mit so viel mehr Faktoren zu tun (wurde das Kind zuvor schonmal fremdbetreut? Ist es eher introvertiert/extrovertiert? Wie kommt es mit neuen Situationen klar? Lässt es sich leicht ablenken? Ist es gerne unter Kindern oder wird es ihm schnell alles zu viel?)

Du siehst, den Fremde-Situations-Test kann man nicht auf alle Fälle beziehen, er kann aber eine grobe Orientierung bieten, wenn die Kinder sehr auffälliges Verhalten bei einer Trennung an den Tag legen, was nicht unter "kann sich halt leicht trennen"/"hängt halt an den Bezugspersonen" fällt.

4

Ok. Zum konkreten Verhalten, d. Anteort oben.

17

Hört sich für mich nach einer Eingewöhnung wie im Lehrbuch an. Durch die heutzutage sanften Methoden dabei ist es das Ziel, es den Kindern so leicht wie möglich zu machen und nicht mit den Tests vergleichbar. Für mich liest es sich nach einem sicher gebundenen Kind (dazu gehört ja auch, dass sie sicher ist, dass du wiederkommst und sich lösen und somit explorieren kann). Was gleichzeitig aber nicht bedeutet, dass weinende Kinder unsicher gebunden sind. Manche urteilen über beides, leider auch in Erzieherkreisen, zu schnell und unterstellen direkt eine unsichere Bindung, was ich für absoluten Blödsinn halte.

Bearbeitet von Lolalisa3
5

Eine Bindungstheorie ist genau das - eine Theorie. Nichts, was in irgendeiner Art und Weise statistisch erwiesen ist. Und nein, ein Kind was heult wenn Mama weggeht, kann je nach Argumentation auch ne massive Bindungsstörung haben, weil es offensichtlich nicht gelernt hat, dass Mama verlässt da ist.
Ich finde deine Frage und das Fokussieren auf so eine Theorie allerdings (im Gegensatz zum Verhalten des Kindes) sehr auffällig. Wieso hast du solche Sorgen und wieso sollte dein Kind nicht sicher an dich gebunden sein?
Ich arbeite mit vielen Pflegekindern zusammen, die ne Bindungsstörung haben. Aber es sind eben Pflegekinder mit Bindungsabbrüchen. Keine normalen Kinder aus normalen Familien, sondern eben mit Vorgeschichte.

8

Wow, du arbeitest mit Pflegekindern? Hoffentlich nutzt Du bei diesen den Begriff "normal" nicht ganz so inflationär...

11

Wow, und du kannst nicht verstehen, dass es hier nicht um "unnormale" Pflegekinder geht, sondern darum, dass man in normalen Lebensverhältnissen(und nein, dazu gehören Pflegekinder eben nicht dazu, ich war selbst eines, das wird man nicht unter normalen Familienverhältnissen) ohne schwierigen Familienbackground sich im Regelfall nicht Gedanken um Bindungstheorien machen muss, weil ein Kinder NORMALERWEISE einfach an seine Eltern NORMAL fest gebunden ist.

weitere Kommentare laden
6

Unsere Erzieher*innen sagten, dass wenn das Kind bei der Trennung nicht weint, dann ist die Bindubg gut und das Kind besitzt ein sehr gutes Urvertrauen und die Eltern.

Kinder, die nicht weinen, wissen (wenn auch nur unterbewusst) sicher, dass sie abgeholt werden bzw. Mama und Papa immer zurückkommen.

Wir haben zwei Eingewöhungen hinter uns. Keins unsere Kinder hat geweint bei der ersten oder den folgenden Trennungen. Bein abholen kamen sie zwar freudig zu uns, haben kurz gekuschelt und sind wieder abgezogen um weiter zu spielen.

Ich war froh, dass alles ohne weinen und großes Drama von statten ging. Die Erzieher*innen gaben uns dies bezüglich positives Feedback.

27

es kommt sicher mit darauf an, ob das Kind vor der Eingewöhnung nur Kontakt zu den Eltern hatte oder auch zu anderen, die auf das Kind aufgepasst haben

38

Ich glaube, die Auffassung eurer Pädagogen ist veraltet. Mal ganz abgesehen davon, dass man das eh slles nicht so pauschal sehen kann.

Ich konnte mehrere Wochen eine andere Mama beim parallel zu meinen Kids erfolgten Eingewöhnen beobachten und der Sohn würdigte sie ab Sekunde 1 keines Blickes und reagierte immer wütend, wenn sie ihn abholte. Ich kenne die beiden schon ein Weilchen vom Spielplatz und...naja...ich maße mir ungern aus Momentaufnahmen ein Urteil an, aber eine gute Bindung sieht für mich persönlich - ist ja alles auch recht subjektiv - anders aus.

9

Ich kenne Erzieher, die sagen, die Bindung ist gut, wenn nicht viel oder gar überhaupt nicht gewinnt wird und Erzieher im gleichen Kiga, die sagen, die Bindung ist gut, wenn viel geweint wird. Also diese Theorien berücksichtigen auch null sen Charakter des Kindes etc und deshalb kann man sie gar nicht richtig anwenden mMn

18

Ich bin nicht vom Fach, kann dieser komischen Theorie aber direkt widersprechen.

Mein Kleiner hat nie geweint, wenn ich ihn abgegeben habe. Wir hatten wir 11 Monaten die Eingewöhnung und er hat wirklich nie geweint. Er hatte vielleicht 1-2 kurz gequengelt, aber das war es auch.

Unsere Bindung ist top. Er ist aber schlicht einfach kein Weiner. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft er im 1 Babyjahr geweint hat.

Sprich, es kommt halt einfach auf den Charakter des Kindes an, so jedenfalls meine natürlich sehr kleine Beobachtung.

28

Ah interessant, mein kleiner ist knapp 1,5 und wird im Herbst eingewöhnt - ich bin gespannt, wie er es macht. Weinen kenne ich bei ihm bisher auch nicht. 🙏🏻

37

Ich drück euch die Daumen. 🍀

20

Ich habe mir damals ( als ich in der Krippe gearbeitet habe) bei der Eingewöhnung nie Gedanken darum gemacht ob die Eltern jetzt eine unsichere Bindung haben oder welche Theorie jetzt darauf passen könnte.
Eine Psychologin sagte auch mal, dass die allerwenigsten Menschen eine ganz sichere Bindung haben, die meisten haben eine Tendenz zu ambivalent/ unsicher ( in unterschiedlichen Ausprägungen). Das zählt aber alles NICHT zu einer echten Bindungsstörung sondern gilt noch als normal.

21

Beim Fremden Situationstest ist Voraussetzung ein dem Kind völlig unbekannter Raum.

Als dein Kind am ersten Tag ankam, kann man das noch am ehesten vergleichen. Es hat exploratives Verhalten gezeigt mit regelmäßiger Kontrolle, ob du da bist und die Situation als sicher einstufst. Perfekt.

Am vierten Tag ist es kein völlig unbekannter Raum mehr.

Glückwunsch zur gelungenen Eingewöhnung 😀