Schlechtes Gefühl und schlechte Noten

Der Lehrer mag mein Kind nicht

Viele Eltern bekommen irgendwann von ihrem Kind zu hören, dass der Lehrer das Kind ablehne, gerne im Zusammenhang mit schlechten Noten. Andere haben vielleicht selbst den Eindruck, dass eine Lehrkraft ihr Kind "auf dem Kieker" hat. Wie reagiert man jetzt?

Autor: Gabriele Möller

Kinder spüren die Ablehung

Lehrerin Schülerin Tadel
Foto: © fotolia.com/ Christine Langer-Pueschel

"Ich hab' das Gefühl, dass mein Lehrer mich nicht mag. Ich störe den Unterricht nicht, bin sogar eher sehr still. Aber wenn ich mich melde, komme ich so gut wie nie dran", klagt ein Mädchen, das in die Grundschule geht. Ein Junge erzählt enttäuscht: "Ich habe mehrere Tage für einen Test gelernt, und ich habe trotzdem eine Fünf. Ich hatte eigentlich alles richtig, nur anders hingeschrieben. Die Lehrerin gibt mir öfters Fünfer, obwohl auch meine Freunde sagen, dass ich alles richtig hatte. Sie mag mich einfach nicht."

Kinder sind Bauchmenschen…

Diese beiden Schilderungen machen es deutlich: Kinder sind durch und durch Bauchmenschen. Und sie beziehen fast alles, was passiert, sehr auf sich selbst. Für sie ist die Sache deshalb sonnenklar: Wenn ein Lehrer mich öfters nicht aufruft, ist das reine Absicht! Wenn eine Lehrerin mir schlechte Noten gibt, mag sie mich nicht, denn sonst würde sie das ja nicht tun, oder?

…und Eltern häufig auch!

Zum Glück gibt es da uns Eltern. Wir sind natürlich wesentlich sachlicher. Wir können einem Kind erklären, dass man unter 25 anderen Kindern leicht übersehen werden kann, wenn man sich sowieso nur selten meldet. Wir können auch erläutern: "Bestimmt wolltest du in dem Test das Richtige sagen. Trotzdem war das noch nicht so deutlich, dass es für eine gute Note reichte." Doch unglücklicherweise funktioniert das mit der Objektivität auch bei uns Eltern nicht immer so gut. Denn wir lieben unser Kind sehr und werden daher im Zweifel immer zu ihm halten, auch wir sind also voreingenommen.

Nach dem ersten Schreck: gelassen bleiben!

Die Aussage "Die Lehrerin mag mich nicht!" löst daher naturgemäß bei den meisten Eltern erst einmal spontane Empörung aus. Zugleich beginnt ein Karussell aus Fragen im Kopf zu kreisen. Wenn der beunruhigende Satz vom Kind kommt, ist aber die beste Reaktion: erst einmal gelassen bleiben und den Ball flach halten. Zuerst können Eltern herausfinden, wie das Kind eigentlich darauf kommt. Wenn es, wie in den genannten Beispielen, vermutlich keine echte Abneigung auf Seiten der Lehrer gibt, ist es wichtig, seinem Nachwuchs jetzt zu helfen: im Beispielfall dabei, seine  Zurückhaltung etwas zu überwinden, ihm vielleicht den Tipp zu geben, sich mit Hilfe einer kleinen Strichliste jede Stunde mindestens drei Mal zu melden. Oder auch dabei, fitter im Problemfach zu werden, indem man täglich 10 Minuten mit ihm übt, damit bald keine Fünfer mehr kommen. Außerdem kann man mit dem Lehrer einen Gesprächstermin vereinbaren und dabei über die Zurückhaltung des Kindes sprechen oder fragen, welchen Übungsschwerpunkt er jetzt empfiehlt.

Den Blick des Kindes auf Positives richten

Manchmal bedeutet der Satz "Der mag mich nicht" aber auch, dass das Kind selbst seine Lehrerin oder den Lehrer nicht sympathisch findet. Die unangenehmen Gefühle werden dann als vom Lehrer ausgehend wahrgenommen. Hier können Eltern den Blick des Kindes etwas mehr auf die positiven Eigenschaften der Lehrkraft lenken: "Ja, sie ist ganz schön streng, das stimmt. Aber macht sie nicht viele Dinge auch gut? " Sie können an den tollen Klassenausflug erinnern, oder an die schöne Deko fürs Klassenfenster, die die Lehrerin mit allen gebastelt hat, oder daran, wie sie dem Kind ein Lob unter die  Hausaufgabe geschrieben hat. "Teilen Sie mit ihrem Kind auch eigene Schulerinnerungen. Sicherlich haben Sie auch ein paar ähnliche Erfahrungen gemacht", rät der französische Psychologe und Psychoanalytiker Philippe Scialom, wenn ein Kind mit dem Lehrer nicht warm wird.

Kuschelfaktor Schule?

Wenn der Nachwuchs darüber klagt, vom Lehrer nicht gemocht zu werden, weil er vielleicht ein paarmal ermahnt wurde, kann dies auch an einer hohen Erwartungshaltung des Kindes legen: „Ein Konflikt mit dem Lehrer trifft die Schüler heute härter, und sie nehmen es persönlicher“, beobachtete Pädagogin Ute Sauerwein-Weber, Jugendbildungsreferentin der Stadt Bargteheide. Die Bereitschaft, auch mal eine Ungerechtigkeit oder Ermahnung wegzustecken, sei gesunken. „In vielen Familien herrscht die Vorstellung, dass die Schule ihrem Kind einen Lebensraum bieten sollte, in dem es sich wohl fühlt und alle harmonisch miteinander umgehen. Da bleiben Kränkungen nicht aus.“ Schüler sähen ihren Lehrer heute verstärkt als Vertrauens- und Bezugsperson. So entstünden hohe Erwartungen, die zugleich schnell enttäuscht werden können.

Vermuten dagegen die Eltern selbst oft eher schnell eine Ablehnung durch die Lehrerin oder den Lehrer ihres Kindes, sind manchmal auch Altlasten aus der eigenen Kindheit die Ursache: Wer selbst schlechte Erfahrungen gemacht hat, ist empfindlicher und manchmal vorschnell alarmiert, wenn das eigene Kind etwas Negatives berichtet. 

Wenn Pädagogen sich schwer tun

Natürlich gibt es auch sie: Lehrer, die sich mit einem Kind so schwer tun, dass es (manchmal zu Recht) den Eindruck bekommt, nicht gemocht oder ungerecht behandelt zu werden. "Mein Sohn wird oft aus der Klasse geworfen, weil er sich angeblich schlecht benimmt. Sein Klassenkamerad, der vielleicht den gleichen Quatsch gemacht hat, darf bleiben. Dieser Junge sagte mir selbst, die Lehrerin könne meinen Sohn wohl nicht leiden", klagt eine Mutter. "Die Lehrerin hat auch gesagt, er könnte  ADHS haben, aber eine Untersuchung im Sozialpädiatrischen Zentrum hat das nicht bestätigt." Und eine urbia-Userin berichtet: "Ich weiß, mein Großer (7) ist kein einfaches Kind. Schnell reizbar und ablenkbar, ein kleiner Zappelphilipp. Aber ich habe das Gefühl, dass die Lehrerin mit zweierlei Maß misst, was die Konsequenzen angeht. Mein Sohn ist immer derjenige, der einen Einzeltisch bekommt, oder der im Unterricht sehr selten bis gar nicht drangenommen wird."

Weniger Sympathiepunkte für Jungen?

Es ist fast ein Gemeinplatz, dass es oft weibliche Pädagogen sind, die sich mit männlichen Schülern schwer tun. Frauen haben häufig höhere Erwartungen an Schüler, was deren Sozialverhalten angeht. Da kann es bei einem unruhigeren, widerspenstigeren Kind passieren, dass vorschnell ein ADHS-Verdacht geäußert wird, oder die Lehrerin zunehmend gereizt reagiert. Doch dies kann auch Mädchen passieren. "Meine Tochter ist im 4. Schuljahr. Sie ist ziemlich willensstark, sagt offen ihre Meinung. Die Lehrerin ist schon älter. Neulich hat sie morgens zu meiner Tochter gesagt: 'Wenn ich dich sehe, möchte ich am liebsten wieder nach Hause gehen'", berichtet eine Mutter empört.

Ob Mädchen oder Jungen - nach einer Untersuchung erlebten 78 Prozent der Erwachsenen in ihrer Schulzeit mehrfach Kränkungen. „Lehrerverhalten, das als kränkend erlebt wurde, war zum Beispiel: Bloßstellen, Schimpfen, Zuschreibung von Dummheit, unterlassene Hilfe, Ignorieren, ungerechte Strafe, Unterstellen von Fehlverhalten, Drohen mit Sitzenbleiben, unfaires Prüfen, unfaire Mitteilung an andere Lehrer, Ablehnung, Schikane“, schreibt der Psychoanalytiker Prof. Dr. Kurt Singer, ehemaliger Professor für Pädagogische Psychologie und Schulpädagogik.

Die Sicht der Lehrer

Ist es also etwas Häufiges, dass LehrerInnen ein Kind nicht mögen? "Ganz selten kommt es vor, dass ich eine Schülerin oder einen Schüler nicht leiden kann. Da bin ich dann aber in der Benotung eher zu freundlich, weil ich Angst habe, dass meine persönlichen Gefühle hinein spielen", schränkt eine Lehrerin in einem Schulforum ein. Eine andere berichtet: "Es gibt durchaus Kinder, die mir weniger sympathisch sind als andere. Das ist menschlich. Allerdings gehe ich auch mit diesen Kindern freundlich und zugewandt um. Denn es ist nicht so, dass man ein Kind komplett unsympathisch findet, meistens sind es nur einzelne Verhaltensweisen, die einem auf die Nerven gehen. Andere Dinge findet man dann ganz in Ordnung." Auch dass es mal ungerecht zugeht, gibt eine weitere Lehrerin zu: "Es kommt vor, dass man das falsche Kind ermahnt. Ein Kind macht vielleicht irgendeinen Blödsinn, und du kriegst nur grob die Richtung mit, aus der es kommt - und sagst zu einem Mädchen: 'Jetzt hör' mal auf zu schnattern!' Und sie macht große Augen, weil sie es diesmal gar nicht war. Das hängt damit zusammen, dass sie vielleicht sonst immer diejenige ist, welche."

Was tun, wenn nur noch negatives Feedback kommt?

Haben Eltern aber den Eindruck, dass ihr Kind nur noch negativ gesehen wird, müssen sie mit der Lehrerin oder dem Lehrer reden. Wer den Gesprächstermin aber dazu nutzen will, nun mal so richtig seine Meinung zu sagen, ist schlecht beraten. Das Wichtigste: der Lehrkraft erst einmal zuhören und nicht schon das fertige Feindbild mitbringen. Denn Eltern sind im Unterricht nicht dabei. Sie bekommen nur den gefilterten Bericht ihres Kindes, das jede Situation nur aus seiner Sicht wahrnehmen kann. Kinder blenden den Anteil am Konflikt, bei dem sie selbst nicht gut wegkommen, dabei meist aus, denn ihre Fähigkeit zur Selbstkritik ist noch gering. Der Lehrer kann das Gesamtbild deshalb vervollständigen. Man sollte sich außerdem gut auf den Gesprächstermin vorbereiten. Schulpsychologe Klaus Kuhlmann aus Köln rät Eltern:

  • zu überlegen: worum geht es mir, welches Ziel möchte ich erreichen?
  • sich dabei auf eine offene Lösungssuche einzulassen
  • es für möglich zu halten, dass der Lehrer das Kind auch gut kennt und manche Dinge vielleicht deutlicher sieht 
  • zu beachten, dass ein Lehrer kein Schulpsychologe ist - er hat nicht gelernt, wie man schulische Probleme löst, hat darin aber zuweilen Erfahrung gesammelt
  • keine Vorwürfe zu äußern, denn die helfen nicht weiter